Podiumsdiskussion auf Initiative der SPD
Ihre Botschaft ist klar: Das Bayerische Chemiedreieck und vor allem der Chemiepark Gendorf bieten auch für die Zukunft ein gutes Potenzial und eine Perspektive für sichere Arbeitsplätze. Aber ebenso deutlich der Konsens: Die Politik muss dafür dringend Leistungen erbringen – in der Infrastruktur und in den politischen Rahmenbedingungen, zum Beispiel in der langfristigen Sicherung eines weltweit konkurrenzfähigen Strompreises für die Industrie und in der Gültigkeit von Abschreibungsmöglichkeiten. Mit einer kurzen Botschaft brachte Chemiker Dr. Markus Born die Herausforderung auf den Punkt: „Energie ist Wohlstand.“
Der Raum „Servus“ im Burgkirchner Bürgerzentrum war am Dienstagabend bis auf den letzten Platz gefüllt. Stefan Bonauer, Bürgermeisterkandidat der SPD in der Alztalgemeinde, und Jürgen Fernengel, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) Oberbayern in der SPD, hatten zur Podiumsdiskussion geladen. Thema des Abends mit Fokus auf das Bayerische Chemiedreieck und vor allem auf den Chemiepark Gendorf: Wie sicher sind die Arbeitsplätze? Was läuft gut im Chemiedreieck? Was brauchen wir? Was können andere Länder für uns leisten?
Drei Jahre erlebt Deutschland nun eine Rezession
Probleme in der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und damit verbundene Risiken für die Standorte, Arbeitsplätze und Wohlstand sieht Dr. Markus Born, Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Chemieverbände, vor allem hausgemacht durch Fehler in den politischen Rahmenbedingungen. Zum Beispiel habe man alle Kosten der proklamierten Energiewende auf die Strompreise abgewälzt. Drei Jahre erlebt Deutschland nun eine Rezession, die Produktionsmengen seien auf dem Stand der 90er Jahre, durchaus ein Problem in einem Land, dessen Wohlstand stark an den Export gekoppelt ist. Und das wiederum trifft vor allem die chemische Industrie besonders hart. Hier seien deutsche Standorte durch politische Vorgaben im Nachteil gegenüber Konkurrenz in den USA, China oder Indien.
Der Krieg in der Ukraine und weitere weltpolitische Verwerfungen belasten die Situation zudem ohne direkte Einflussmöglichkeit seitens deutsche Politik. Hier müsse man sich auf die Hausaufgaben konzentrieren. Die Politik der neuen Bundesregierung weise nun durchaus in die richtige Richtung, allerdings sei die kurze Befristung des günstigeren Industriestrompreises, aber auch der Abschreibungsmöglichkeiten unzureichend.
In Bayern ist infrastrukturell zu wenig geschehen
Dr. Bärbel Kofler, Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, nannte vor allem die Dauerthemen eines notwendigen Bahnausbaus der ABS 38, der A 94, aber auch der Energietrassen als Herausforderungen und kritisierte vor allem den „unzureichenden Nachdruck“ für die Höchstspannungsleitungen, die aus dem Norden in den an Industrie reichen Süden gebaut werden sollen. Hier hätte schon vor über zehn Jahren in Bayern mehr geschehen müssen.
Zum Thema Infrastruktur betonte Dr. Bernhard Langhammer als Sprecher der Initiative ChemDelta Bavaria, dass es nun doch gelungen sei, eine weitere Hochspannungstrasse ins Bayerische Chemiedreieck zu holen, dass auch die Initiative mit den Belangen für die Wirtschaft im Chemiedreieck auf allen politischen Ebenen Gehör finde und auch die Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen im Vergleich zu früher besser koordiniert werde. Und auch Dr. Langhammer lenkte den Blick auf die Notwendigkeit wettbewerbsfähiger Energie.
Nicht nur grünen Wasserstoff zulassen
Kritik ernteten auch die bürokratisch kleinteiligen Regelungen in der Gesetzgebung und Kategorisierung von Werkstoffen wie zum Beispiel Initiativen gegen Kalkstickstoff oder Reglements im Reach-System. Konkret und als Problem für die weitere Entwicklung nannte Dr. Langhammer Beschränkungen in der Nutzung von Wasserstoff. Er betonte, dass Wasserstoff, der nicht der grünen Kategorie entspricht, zum Teil als Nebenprodukt in der Industrieproduktion anfällt und in der Anwendung Beschränkungen unterliegt. Wenigstens für eine Anlaufphase weiterer Wasserstofftechnologien sollte er in der Nutzung dem grünen Wasserstoff gleichgestellt werden.
Trotz dieser Herausforderungen und Probleme wurden von allen Diskussionsteilnehmern den Chemiestandorten in der Region und vor allem den Chemiestandort Gendorf gute Chancen zuerkannt, auch mit Blick auf zukunftssichere Arbeitsplätze. Auch in Burghausen stehen die Signale auf Zukunft mit geplanten Großinvestitionen in die Wasserstofftechnologie.
Die Mitarbeiter können anspruchsvollste Anlagen bedienen und Prozesse beherrschen.
InfaServ-Betriebsratsvorsitzender Michael Schnabl
Ressource von entscheidender Bedeutung seien die best ausgebildeten und motivierten Mitarbeiter. „Die können anspruchsvollste Anlagen bedienen und Prozesse beherrschen“, betonte InfaServ-Betriebsratsvorsitzender Michael Schnabl. Und sein Stellvertreter Markus Stadler, Vertreter der IGBCE, ergänzte mit Blick auf die Überstundenlisten, dass es hier völlig abwegig sei, wenn Politiker fordern, die Deutschen müssten generell mehr arbeiten.
Argumente für Optimismus lieferten auch die beiden jüngsten Ansiedelungen im Chemiepark Gendorf durch zwei Unternehmen, die auf Recycling von Kunststoff beziehungsweise auf Recycling von Batterien spezialisiert seien. Gute Noten ernteten auch die regionalen Politiker der CSU, Landrat Erwin Schneider, MdL Martin Huber und MdB Stephan Mayer. Das enge Miteinander von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaft und die Nähe zu hervorragenden Hochschulen und Universitäten gelten als Stärken.
Kritik an 3M wegen des Umgangs mit Dyneon
Auch der wunde Punkt in der Industrielandschaft im Bayerischen Chemiedreieck blieb nicht unerwähnt – der angekündigte Abzug von Dyneon und seiner Produktion einschließlich Recycling von Fluorpolymeren. Diese Werkstoffe sind nach Stand der Technik unverzichtbar für die moderne Kommunikations- und Informationstechnologie, Elektromobilität, Medizintechnik und viele weitere Anwendungsbereiche. Harte Kritik durch Michael Schnabl fand die Personalpolitik, wie man mit den Mitarbeitern bei Dyneon bzw. im Mutterkonzern 3M umgehe. Auch der Anteil an den Standortkosten, den bisher Dyneon getragen hatte, verteilt sich auf die anderen Unternehmen. Trotzdem scheint ein Fünkchen Hoffnung zu keimen.
Wenn so ein Werk und eine damit verbundene Entwicklung und Produktion schließe und nach Übersee verlagert werde, dann sei das ein Problem nicht nur für den unmittelbaren Standort und für Deutschland, sondern für ganz Europa, betonten Dr. Born und Dr. Langhammer. Neue Abhängigkeiten würden entstehen und die deutsche Wirtschaft noch mehr in fremde Interessenslagen in internationalen Konflikten einbeziehen. Die deutsche und auch die europäische Rechtslage gebe allerdings keine politischen oder juristischen Mittel an die Hand, um im konkreten Fall den Abzug eines Unternehmens, noch dazu einer amerikanischen Konzerntochter, zu verhindern, erklärte Dr. Kofler.