Podiumsdiskussion des SPD-Kreisverbandes zum Komplex Erziehung und Bildung
Neuötting. Experten aus den Bereichen Bildung, Erziehung und Beruf haben am Mittwochabend im Stadtmuseum Neuötting über Schwierigkeiten in Kindergarten, Schule und Familie diskutiert. Stefan Bonauer, Dozent am Studienkolleg und selbst Gymnasiallehrer, moderierte das Podiumsgespräch mit dem Titel „Kein Kind ohne Abschluss – von der frühkindlichen Bildung über die Primarstufe bis zu den weiterführenden und berufsbildenden Schulen“, organisiert von der Landkreis-SPD und der Themenwerkstatt Erziehung und Bildung.
Die Besetzung des Podiums zeugte von Erfahrung und Kompetenz: Heiko Schachtschabel ist Rektor der Max-Fellermeier-Schule in Neuötting. Silke Göhl arbeitet als Konrektorin an der Pestalozzi-Förderschule in Neuötting, Carlo Dirschedl war früher Chef der Berufsschule Altötting und vier Jahre lang Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags die sich mit dem Thema „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt beschäftigte. Martina Frank leitet den Paul-Gerhardt-Kindergarten in Burgkirchen/Holzen. Und Peter Heiß aus Neumarkt/St. Veit führt ein Baugeschäft und ist Obermeister der Bauinnung Mühldorf/Altötting. Marion Winter schließlich ist Unternehmerin und Ehrenvorsitzende des Arbeitskreises Bildung der SPD. Auch als Evaluatorin ist sie in Ober- und Niederbayern tätig, was bedeutet, dass sie mit einem Gremium Schulen besucht und beurteilt.
Sie eröffnete den Abend mit einem Impulsreferat: „6000 Schüler waren 2020 in Bayern ohne Abschluss, die Ursachen lauten mangelnde Motivation, Sprachprobleme bei Kindern von Migranten, der Ukrainekrieg und die Pandemie. Folgen sind fehlende Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit und Kriminalität“, konstatierte die Referentin und nannte als Lösungsmöglichkeiten eine Intensivierung der individuellen Förderung, guten Ganztagsunterricht, neue modernere Lernformen, bessere Schulausstattung und mehr Lehrkräfte.
Stefan Bonauer befragte im Anschluss die Experten zu verschiedenen Themenkomplexen. „Ist der Schulabschluss wichtig“ lautete Thema Nummer 1, gefolgt von der Frage, ob zu wenig darauf geschaut werde, was die Kinder können. Die Folge daraus war der dritte Komplex, der beleuchten sollte, wo es hapert und warum Kinder auf der Strecke – sprich: ohne Abschluss – bleiben.
Heiko Schachtschabel betonte, dass sich die Lehrkräfte hervorragend um die Schüler kümmerten – nur gebe es zu wenig Pädagogen. Kein Schüler dürfe ohne Anschluss aus der Schule entlassen werden. Peter Heiß meinte dazu: „Das Handwerk stellt nicht nach Noten, sondern nach Fähigkeiten ein. Wir nehmen auch Azubis ohne Schulabschluss oder solche mit schlechteren Noten.“ Carlo Dirschedl findet – wie alle Experten – einen Abschluss ideal. Ob alle Schulabgänger dann in den Beruf finden, das wisse man nicht, da es hierzu von den Hochschulen keine Zahlen gebe. Marion Frank gab an: „Die Kinder müssen sich selber spüren und wissen, was ihnen gut tut. Sie müssen Entscheidungen treffen, sie tragen und gegenüber anderen verteidigen“. Alle Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass es im bayerischen Schulsystem zu wenig Personal, zu überfrachtete Lehrpläne und zu wenig Zeit gebe.
Zum dritten Thema meinte Silke Göhl: „Die Kinder sind verplant, man lässt ihnen nicht die Zeit, die sie brauchen.“ Auch Marion Winter glaubt, dass in der Schule Zeit und Individualität fehlen. Peter Heiß war der Meinung, dass die Eltern, der Freundeskreis und die Medien die Kinder überfordern; es werde als „tragisch“ empfunden, wenn ein Kind nicht auf das Gymnasium gehe. Dem stimmte auch Carlo Dirschedl zu. Heiko Schachtschabel brachte folgenden Punkt in die Diskussion ein: „Lernen macht oft, aber nicht immer Spaß. Manchmal muss man auch Unbeliebtes wie Formeln oder Vokabeln lernen.“ Martina Frank beklagte den Druck der Eltern, die immer mehr Bildungsinhalte bereits im Kindergarten wollen. Auch in ihrem Bereich mangele es an geeignetem Fachpersonal.
Abschließend durfte jeder Experte eine Forderung äußern, die er gerne bei einem Sachaufwandsträger durchsetzen möchte. Carlo Dirschedl hat dies aufgegeben, er wünscht sich, dass Politiker über eine Legislaturperiode hinausdenken. Marion Winter würde gerne das Schulsystem an die Kinder anpassen, während Silke Göhl möchte, dass wieder mehr Schüler Lehrer werden. Martina Frank will, dass mehr Geld für Bildung fließt und innovative Fachkräfte nicht auf der Straße stehen. Peter Heiß sieht handwerkliche Tätigkeiten im Mittelpunkt, obwohl grundlegende Fähigkeiten wie Rechnen in seinem Bereich auch wichtig sind. Heiko Schachtschabel wünscht sich von seinem Bürgermeister, dass im Juni der Baubeginn an der Max-Fellermeier-Schule erfolgt
Neuöttings Rathauschef Peter Haugeneder äußerte sich zum Schluss: „Am Schulsystem sind mir drei Punkte wichtig: Als Erstes kommt die horizontale und vertikale Durchlässigkeit. Auch nach einem ‚Karriereknick‘ ist das Abitur noch möglich. Zweitens hängt die Bildung prinzipiell nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern ab und drittens weiß ich, dass Erzieherinnen, Lehrkräfte und Lehrherren immer das Beste für die Kinder wollen.“
− hra